Flagge zeigen

Die WM macht's möglich: Die vergessene Lust der Deutschen, Flagge zu zeigen. Farbe zu bekennen für das eigene Land. Bei Auslandsaufenthalten ist mir immer wieder aufgefallen, wie positiv andere Länder zu ihrer Fahne stehen. Als wir in Schweden auf dem Göta-Kanal unterwegs waren, hatte fast jedes Haus die blau-gelbe Flagge gehisst. In Dänemark das gleiche. Wie schön sind die Italienischen Farben, die sich meist in der Dekoration italienischer Restaurants wiederfinden. Ich denke an die Amerikaner, die mit einem unglaublich stolzen Gefühl ihre Hymne singen oder auf so vielen Dingen ihre Flagge präsentieren.

Nur wir selbst in unserem Land schämen uns irgendwie dafür. Warum? Ja, wir haben in der Vergangenheit riesengroße Fehler begangen, die unentschuldbar sind. Doch darf nach über 50 Jahren nicht auch mal wieder ein gesundes Gefühl für unser Land einkehren? Ich möchte gerne sagen: "Ich bin stolz, eine Deutsche zu sein. Ich liebe mein Land." Ganz natürlich, ohne schlechtes Gewissen oder Angst, dass ich einen Stempel aufgesetzt bekomme. Jedes Land hat seine Vergangenheit.

Was haben wir für ein schönes Land. Grün, bewaldet, weltoffen, ich fühle mich hier sicher, gut versorgt, geschätzt, nette Menschen leben hier. Ich genieße es, beim Italiener, Thailänder, Chinesen oder Türken essen zu gehen. Bei dem Gedanken an die griechischen Vorspeisen läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Wie viele nette Menschen habe ich auf meinen Auslandsreisen kennen gelernt, mit wie vielen bin ich hier in Deutschland in Kontakt gekommen. Ich denke gerade an den russischen Jungen, der mir mit dem Fahrrad hinten auf's Auto gefahren ist. Beule im Auto, Fahrrad kaputt. Darüber habe ich seine Familie kennen gelernt. Sie lebten auf 2 Zimmern mit 10 Personen. Was haben die mich herzlich empfangen, frisch Gebackenes stand auf dem Tisch, Tee wurde mir angeboten. Was war das eine nette Familie, denen es so leid tat, was geschehen war und der Junge so traurig, dass sein Rad krumm war. Als ich meinem Onkel davon erzählte, sagte er: "Warte mal, ich habe noch ein Rad im Keller." Frisch geputzt habe ich es dem Jungen überreicht. Das war eine Freude, die mich noch heute berührt.

Ich glaube, dass dies auch ein typisches Bild für uns Deutsche ist. Wir sind genau so herzliche und liebevolle Menschen wie es sie in jedem Land auf der Welt gibt. Ebenso wie es auch in jedem Land auf der Welt die Bösen gibt. Es ist die Frage, wem oder was wir unsere Aufmerksamkeit schenken möchten.

Haben Sie die Sendung "Die größten Erfingungen" zufällig letzten Sommer im ZDF gesehen? Ich war mehr als erstaunt, wie viele dieser Erfindungen aus unserem Land stammen oder wie viele Deutsche an deren Entstehung beteiligt waren. Ein paar Inspirationen? Der Buchdruck, das Auto, die Röntgenaufnahmen, der Dübel, das Antibiotikum, die Glühbirne... Was steckt für eine Kraft in uns Deutschen. Das ist uns doch nicht einfach abhanden gekommen, es liegt noch immer in uns. In jeder, in jedem von uns. Es ist Zeit, wieder unsere Kraft zu sehen und an sie zu glauben. An unsere Art, die Dinge zu machen. Ich will wertschätzen, was meine Ahnen aufgebaut haben. Ich will mein Land wertschätzen mit allen Vor- und Nachteilen und mit aller Brüderlichkeit und Herzlichkeit und all dem Guten, das in uns liegt und in allen Menschen auf dieser Welt.

In diesem Tagen, wo der Sport die Menschen vereint, haben wir alle die Chance, uns neu zu erleben und zu zeigen, dass die Welt zu Gast bei Freunden ist. Bei uns.

Anja Kolberg

Erstellt durch: Anja Kolberg am Dienstag, 13 Juni, 2006
Thema: Blog - 2006, 1. Halbjahr, Blog - Beziehungen
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