Essen möglichst ohne tierische Produkte
Meine Ethik & die Folgen - Teil 1

23.1.2011 - erste Überlegungen

Nachdem ich mir alles von der Seele geschrieben hatte, begann die Praxis: Was sind Essensalternativen, wenn ich mich ohne Fleisch, Eier und Milchprodukte - also vegan - ernähren möchte? Neben Sojaprodukten, Tofu & Co. greifen Veganer vorwiegend zu Hülsenfrüchten, Getreideprodukten, Obst und Gemüse. Ich mache mir eine Einkaufsliste von Produkten, die angeblich gut schmecken sollen und im Supermarkt zu finden sind.

Online lässt sich vieles an Lebensmittel bestellen, das scheint ein großer Markt zu sein. Ich will aber erst mal sehen, was ich vor Ort bekommen kann.

Mein Mann meint, ich sei radikal, weil ich keine tierischen Produkte mehr essen will. Erst bin ich entsetzt, doch dann denke ich: Er hat Recht. Ich bin radikal. Ich habe Bilder gesehen und Geschichten gelesen, die es für mich im Moment nicht möglich machen, zur Tagesordnung überzugehen und weiter zu essen wie vorher. Ich will im Moment auch keinen Wurst-Aufschnitt, Käse, Milch, Butter, Eier für mich persönlich neu kaufen, selbst wenn darauf Bio steht. Versuche meinen eigenen Weg durch den Dschungel zu finden. Mit meinen eigenen Regeln, denn wirklich konsequent bin ich nicht: Letzte Woche gab es zum Tortellinisalat ein Schnitzel aus der Tiefkühltruhe. Ich nehme die immer noch vorrätige Discountermilch in den Kaffee (weil in großen Mengen noch bei uns vorrätig) und schmiere Butter und Frischkäse aufs Brot. Es ist mein Misch-Masch-Weg. Mein Mann wird weiterhin sein Fleisch essen und Wurst und ..., allerdings mit dem Bio-Siegel, um den Tieren bessere Haltungsbedigungen zu ermöglichen. Es entscheidet jeder für sich.

Ich weiß noch nicht, wie ich damit umgehe, wenn ich eingeladen bin und es Fleisch gibt. Am Buffet kann ich mir aussuchen, was ich will, aber wenn am Tisch das Essen ausgegeben wird? Diesen Gedanken schiebe ich jetzt erst mal weg. Eins nach dem anderen, denn für mich ist wichtig, langfristig etwas zu ändern. Ob ich bei einer Einladung dann das Fleisch essen könnte oder ich mich unwohl dabei fühle? Gegen meinen Willen will ich nichts essen, auch wenn mein verändertes Eßverhalten verständlicherweise erst einmal für die anderen komisch sein wird.

Vielleicht bin ich in ein paar Wochen genau in meinem alten Muster. Hoffentlich erinnere ich mich dann an das, was ich gesehen habe und denke um.


24.1.2011 - Es wird konkreter - der erste Einkauf

Ich habe Foodwatch angeschrieben und gefragt, ob sie wegen der irreführenden Heile-Welt-Bilder auf den Eier- und Milchverpackungen eine Kampagne starten könnten.

Im riesigen Globus-Supermarkt habe ich mich mit meiner Einkaufsliste nach alternativen Produkten umgeschaut. Es ist kein Problem Bio-Milch, Bio-Käse, Bio-Butter oder Bio-Joghurt zu finden, ganz anders sieht das bei Bio-Wurstaufschnitt für meinen Mann aus. Ganze neun (!) verschiedene Wurstpackungen finde ich im Regal zwischen hundert anderen Sorten, die nicht Bio sind. Unfassbar, dass das Angebot so begrenzt ist! Der verpackte Inhalt (80gr) ist geringer als bei den anderen Packungen, der Preis natürlich höher als bei der No-Name-Massenware. Bei Aldi habe ich schon mehr Auswahl an Bio-Wurst gesehen. Da ich selbst keine Wurst essen will, greife ich zu Bärlauch-Brotaufstrich von Alnatura und wo ich schon mal im Regal bin, auch zur Getreidemischung für Gemüseburger und Bio-Mayonnaise. Wenn schon Mayo, dann wenigstens mit Eiern von einigermaßen gut gehaltenen Hühnern... Im Bioregal gibt es dann auch Gläser mit haltbarer Biowurst, nehme für meinen Mann Leberwurst im Glas mit. Scheibenkäse haben wir noch genügend im Kühlschrank, hier brauche ich erst mal nicht nach Ersatz zu suchen.

Im Kühlregal finde ich eine Soja-Ecke und nehme Bio-Margerine Alsan-Bio mit, einen Tetrapack Soja-Drink, der wie Milch aussieht und Soja "Joghurt" mit Frucht. Bin sehr skeptisch.

Was soll ich abends kochen? Auf meiner Suche finde ich Nudeln ohne Ei (100% Hartweizengries, sind hell wie "normale" Eiernudeln) und Pesto ohne Parmesan. Das ist schon mal eine Mahlzeit. Dann greife ich im China-Regal zu Grüner-Curry-Chilli-Soße, auf der ein Rezept steht, hole dafür Mais in der Dose (es gibt kaum eine ohne Zucker, habe ich nie drauf geachtet), frischen Basilikum und Chillischoten. Ich werde das Gericht teilen, mein Mann bekommt dazu noch vorhandenes Hühnchenfleisch und ich hole mir geräucherten Tofu dazu. Himmel, lass es bitte schmecken.

Für Minu fehlen noch Leckerchen. Ich finde in diesem Supermarkt keine Hundekekse ohne Fleisch oder tierische Fette und denke nicht darüber nach, was letzteres sein könnte... Ich habe nämlich gelesen, dass sich hinter 'tierische Fette' Fischabfälle verstecken lassen. Nicht drüber nachdenken, Anja. Greife zu Minus geliebten Kaustangen, natürlich tierisch. Ist mir jetzt egal. Bleibe bei meiner Strategie: Einen Schritt nach dem anderen.

Bin stolz über die ersten Schritte. Es wird kein Spaziergang, das ist mir inzwischen klar. Es kann aber einer werden. :o) Bin guter Dinge!

Finde auf der Seite Donnerstag ist Veggie-Tag eine umfangreiche Rezeptsammlung.

Erster veganer Produkttest:

alpro soya 4 x 125gr "Joghurt" (Joghurt steht nicht drauf, Verpackung sieht aber so aus) Geschmacksrichtung Kirsch/Heidelbeere. Sieht aus wie Fruchtjoghurt. Riecht aber anders, obwohl der Fruchtgeruch im Vordergrund steht. Mein Mann probiert Heidelbeere, ich Kirsch.
Mein Fazit: Anfang und Ende schmeckt fruchtig, aber die Mitte nach einem Hauch von Sägespänen, fast muffig. Habe aber noch nie Soja bewusst gegessen, vielleicht ist das der typische Sojageschmack? Es geht, aber nur, weil ich weiß, dass dafür keine Kuh auf ihr Kälbchen verzichten muss. Note 3.
Fazit meines Mannes: Eßbar, schmeckte aber nach Tannennadelholz. Note 3. (Update nach 1 Woche: Ich habe ich die andere Hälfte des Viererpacks gegessen, mein Mann weigerte sich ;o). Ich bin völlig erstaunt: Das Sojaprodukt hat mir geschmeckt wie Joghurt, ich habe kein Muff mehr geschmeckt. Ich bin baff! Ändert sich der Geschmackssinn so schnell?)


31.1.2011 - eine Woche später

(Update Beinbruch meines Mannes: Schrauben sind raus. Alles gut gelaufen. ABER es wird noch Wochen dauern, bis er das Bein wieder normal belasten kann. Gut, dass wir das nicht von Anfang an wussten. Durchatmen. Weitergehen.)

Mich beschleicht das Gefühl, das ich besser drauf bin, seit dem ich kein Fleisch mehr esse. Ich bin weniger niedergeschlagen und traurig. Ich überlege - in Bezug auf die Eiskristallexperimente des japanischen Wissenschaftlers Masaru Emoto - ob sich die Gefühle/das Befinden der Tiere auf deren Fleisch übertragen können?

Das waren meine Lösungen bisher für's Abend essen: Das chinesische Curry-Gericht (s.o.) mit geräuchertem Tofu (ist mir ewig lange aufgestoßen, lieber nicht mehr) und Reis. Mehrmals Nudeln/Schupfnudeln (da waren bestimmt Eier drin) mit Zimt und Zucker. Kartoffeln mit Grünkohl untereinander (Stich Butter war am Kartoffelpüree, ich will meinen Mann nicht vergraulen...). Nudeln mit sehr leckerer Soße aus Zwiebeln, Maronen - und Milch. Spinat mit Kartoffeln - und einem Bio-Eierkuchen.

Auf meinem Frühstücksbrötchen landete meist Marmelade, Honig, Rübenkraut, auch mal Nutella oder noch vorhandener Frischkäse. Die Alsan-Bio-Margarine ist nicht vergleichbar mit Butter, aber es geht. Ranzig geschmeckt hat der Alnatura Bioaufstrich Bärlauch. Den hole ich mich nicht nochmal. Seit Samstag habe ich einen neuen Lieblingsbrotaufstrich, der so köstlich ist, das ich gar nicht genug davon bekommen kann und ihn mir heute Abend unter den Kartoffelpüree (mit Milch und Butter) gemisch habe: Vita Verde Tapenade aus schwarzen Oliven, pikant gewürzt mit Chili, Knoblauch und Kräutern. Der Inhaber von Vita Verde kennt die griechischen Bauern persönlich, gibt ihnen laut Bioladenbesitzer direkt das Geld - fairer Handel in Bestform! Schmeckt alleine deswegen doppelt.

Der Bio-Wurstaufschnitt von Alnatura hat meinem Mann nur zum Teil geschmeckt. Die Sommer-Salami war ein Reinfall (Minu hat sich gefreut), die feine Schinkenwurst soll ich unbedingt wieder mitbringen. Aldi Süd hat ein großes Bio-Wurstsortiment, es hat meinem Mann geschmeckt, was ich mitgebracht habe. Bio-Fleisch gibt es dort bis auf Hackfleisch nicht. Bei Lidl habe ich keinen Bio-Wurstaufschnitt oder Biofleisch gefunden, dafür leckere Bio Reiswaffeln Zartbitter für mich. :o) Damit bin ich bei meinem Lieblingsthema: Schokolade. Milchschokolade war bislang ja meine Lieblingssüßigkeit, jetzt übe ich mich in Zartbitter-Schokolade, da hier meist keine oder kaum Milch ("kann Spuren von Milch enthalten") drin ist. Die Nasch-Alternative am Abend: Bio-Bananen (schmecken viel besser als die normalen) und jede Menge Studentenfutter, Paranüsse, Walnüsse, Haselnüsse... Die Auswahl ist groß. Auch Erdnüsse gesalzen oder Salzstangen. Natürlich kein 100% Ersatz für die heißgeliebte Milchschokolade - aber besser als nix. Es gibt 'ne Menge Alternativen, ich bin erstaunt.

Die nächsten Tage werde ich einen Biosupermarkt aufsuchen und dort nach Neuigkeiten stöbern. Bisher fällt es mir am schwersten auf Milchprodukte und Eier zu verzichten, wirklich gelungen ist es mir nicht. Stolz bin ich, dass ich schon auf vieles verzichte: Käse, statt zweimal wöchentlich "schönen" Milchkaffee (mit ganz viel aufgeschäumter Milch) gibt es wie jeden Wochentag Kaffee nur mit einem Schuss Milch. Das geht auch. Ich bin auf dem Weg und habe ja schon einige köstliche Alternativen entdeckt. Ich glaube inzwischen: Ein leckeres Leben ohne tierische Produkte - und vor allen Dingen ohne Verzicht - ist möglich.

Das Essen ist teurer, dafür merke ich schon jetzt, dass ich bewusster einkaufe und esse. Mir wird der Wert der Lebensmittel deutlicher und das ist ein schönes Gefühl.

Vier Linktipps, für alle, die sich mehr mit dem Thema beschäftigen möchten: Auf der Seite Meine-Landwirtschaft konnte man abstimmen, wie Sie die 100€ verteilen würden, die der EU-Bürger im Durschschnitt jährlich für die gemeinsame Agrarpolitik zahlt. Auf der Seite des Vegetarierbund Deutschland sind die Folgen des Fleischkonsums von der Zerstörung des Regenwaldes bis zum Hunger in der dritten Welt übersichtlich dargestellt. Wenn Sie aktiv werden wollen: Der Deutschlandfunk berichtet über Bauern, die sich gegen Hühnermastbetriebe wehren, die Zulieferer für europas größten Hühnerschlachthof in Wietze bei Celle werden sollen. Auf der Seite von Peta e.V. konnten Sie online gegen den Megaschlachthof protestieren.

Am 27.1. Donnerstag habe ich auf der Suche nach einer heilen Hühnerwelt das Buch "Hühner halten - artgerecht und natürlich" vom Kosmos-Verlag durchgeblättert. Darin laß ich, dass die ursprünglichen Wildhühner nur einmal im Jahr Eier legten, nämlich um Nachwuchs zu bekommen. Im Buch fand ich keine Anleitung, was mit den männlichen Küken gemacht wird, falls eine der Hennen ihre Eier ausbrüten darf, wohl aber dass die Legeleistung der Hühner nach einigen Jahren nachlässt. Über die Lebenserwartung der Hühner stand dort, dass man darüber keine Aussage machen könne, da sich wohl niemand ein Huhn hält, das keine Eier mehr legt!

Ich war entsetzt und berichtete meiner Blumenfreundin Petra davon. Sie erzählte mir von ihrem Lieblingsblumenlieferanten, dessen Hühner keine Eier legen müssen, dafür ein zauberhaft schönes Hühnerhaus besitzen und dreimal täglich besucht werden. Sein Huhn Erna sei mit jetzt mit zwölf Jahren gestorben und ihr Lebensgefährte, Hahn Otto, wachte neben ihr.

Ist die Geschichte nicht einfach schön? Das Bild hat mich sehr berührt, wie ein altes Ehepaar und es zeigt das Gefühlsleben der Tiere, welches unser eigenem scheinbar sehr nahe kommt.

Von dem gekauften Sojadrink habe ich bisher nicht probiert, ich scheue mich. Habe auf dieser Seite über vegetarische Alternativen zu Fleisch, Wurst und Fisch gelesen und werde das mal mit in den Supermarkt nehmen. Bei diesen Dingen bin ich immer noch skeptisch, es kommt mir so künstlich vor, auch wenn Tofu laut vebu.de seit über 2000 Jahren ein wichtiger Bestandteil der ostasiatischen Küche ist.

Anja Kolberg

PS: Den Ursprung zu diesem Artikel lesen Sie hier und den nachfolgenden Artikel hier.

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Erstellt durch: Anja Kolberg am Montag, 31 Januar, 2011
Thema: Blog - 2011, 1. Halbjahr, Blog - Vegan werden und leben
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