Im Kokon. Zwischenzeit. Ungeduld. Vertrauen üben.

Hallo da draußen in der Welt,

es meldet sich eine mit sich sehr unzufriedene Anja Kolberg. Unzufrieden, weil ich gehofft hatte, im Januar zeigt sich, wie es konkret für mich beruflich weiter geht. Das ist aber nicht der Fall.

Ich habe vage Wünsche und sehe viele schöne Bilder in der Zukunft. Das ist ermutigend und stimmt mich zuversichtlich, ist aber noch viel zu unkonkret, um mich vorwärts zu bewegen. Denn dafür brauche ich ein klares Ziel - ein Thema, für das mein Herz schlägt. Dann gehe ich wie von alleine los. Und an diese Information komme ich nicht ran. Obwohl ich wirksame Methoden kenne, um dorthin zu kommen und um Blockaden aus dem Weg zu räumen. Doch das Leben es lässt sich nicht zwingen, wenn der Zeitpunkt noch nicht stimmt. (Hab's probiert.) Es geht nicht. Arg!

Diese Zwischenphase, in der ich mich befinde, kann ich gut mit dem Kokon eines Schmetterlings vergleichen. Nicht mehr Raupe. Noch nicht Schmetterling. Eine von außen unsichtbare Wandlung, die sich im Inneren vollzieht. Kein Liefertermin, wann der Schmetterling schlüpft.

Diese Situation fordert viel: Vertrauen haben. Mit meinen Ängsten, Sorgen, innerer Unruhe, Ungeduld und Unzufriedenheit umgehen. Darin bin ich überhaupt nicht gut, wenn ich mich diesem Prozess auch stelle.

Was ich gut kann, ist das Gegenteil: Auf ein Ziel mit Termin hinarbeiten mit großem Einsatz und Engagement. Menschen, die das tun, sind auch gesellschaftlich anerkannt. Auch das wirkt auf mich ein. Nicht-aktiv-sein ist gesellschaftlich anerkannt, wenn man Urlaub hat, krank ist, berentet oder Milliardär. Nix davon trifft im Moment auf mich zu. (Wobei mir klar ist: Den Stress mache ich mir selbst, kein anderer macht mir den.)

Diese Zwischenzeit - diese Warte- und Wandlungsphase - auszuhalten, fühlt sich an wie die Hölle, so anstrengend. Gemein. Erdrückend. Unkontrollierbar. Ich glaube nicht an die Hölle nach dem Tod. Wenn wir sterben, sind wir im Himmel, wo alles licht und hell und gut ist. Die Hölle ist eher hier auf Erden, denn für mich fühlt sich das Leben manchmal so an. So wie jetzt, weil es nicht so schnell voran geht, wie mein Verstand, meine inneren Antreiber es gerne möchten.

Mir wurde in den letzten Wochen bewusst, wie wertvoll es ist, eine Aufgabe zu haben im Leben. Klar zu wissen, das ist zu tun. Das gibt dem Leben Sinn. Und wie anstrengend es ist, keine Aufgabe zu haben, zumindest eine die für mich Sinn macht, mich erfüllt. Bis zu meiner Prüfung und während der Vorweihnachtszeit hatte ich letztes Jahr eine solche Aufgabe, ein klares Ziel. Seit Anfang Januar ist es still geworden. Ich weiß, es kommt was Neues. Aber wann? Wird es gut werden? Kommt es wirklich?

Meine Aufgabe ist, die Situation anzunehmen wie sie ist, sie nicht wegzaubern wollen, wegdrücken, wegdenken, wegtherapieren. Nein, Anja, auch eine noch 'bessere' Methode öffnet den Kokon nicht vor seinem Termin, es gibt auch keine Zauberworte, die das schaffen. Es gibt Situationen im Leben, die sind einfach schwer und brauchen Zeit.

Was wirklich ansteht, ist mit meiner Aufmerksamkeit im hier und jetzt zu sein. (Ich will diese Aufgabe nicht und finde sie doof!) Annehmen, wie es ist - MIT all dem Schmerz, der Unzufriedenheit und der gefühlten Ungerechtigkeit. Und mir in dieser Zeit Oasen schaffen, in denen es mir gut geht: Einen Ausflug in die Natur. Ein Frühlingsstrauß. Eine heiße Dusche mit duftender Pflege. Ein lustiger Film. Einem lieben Menschen das Herz ausschütten und angenommen werden in dieser Phase, so sein dürfen. Gerade weil es nicht dem Idealbild der Gesellschaft entspricht, auch nicht meinem eigenen.

Ich kann solche Warteschleifen auch nicht genießen. Dafür bräuchte ich einen terminierten Zeitraum, wo ich klar weiß: Am Tag X geht es weiter, bis dahin passiert nix und es kann auch nicht beschleunigt werden. So etwas geht im Rahmen einen Urlaubs, einer geplanten zeitlich begrenzten Auszeit, wo schon vorher klar ist, mit welchen Projekten es anschließend weiter geht. In einer Veränderungs- und Wandlungsphase ist ein klarer Endtermin nicht möglich. So wie es auch in der Natur nicht möglich ist, vorauszusagen, an welchem Tag etwas bestimmtes passiert. Natur ist nicht vorherbestimmbar. Eines der letzten Geheimnisse. Und ich begebe mich durch meinen Wunsch nach einer stimmigen und sinnvollen Veränderung in die Hände von Mutter Natur. Das bedeutet auch: Keinen Fixtermin. Keine Gebrauchsanweisung. Keine Kontrolle.

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Auf dem Januarblatt meines Kalenders 'Ich gehe meinen Weg' steht: 'Ich habe Geduld mit mir.' Der Satz hilft mir, liebevoll mit mir umzugehen. Vertrauen zu üben, dass sich alles entwickelt und zeigt und Stehenbleiben und Innehalten auch wichtig ist. Dabei fällt mir das Bildnis des Grashalms wieder ein, der nur durch seine Ruhephasen die Stabilität entwickelt, um weiter sicher in die Höhe wachsen zu können. In der Ruhephase bildet sich ein Knoten, der dem Grashalm die notwendige Stabilität verleiht.

Ich befinde mich gerade in dieser Knötchenbildungsphase. Ich bin die Masse im Schmetterlingskokon, dessen Entstehungsprozess man nicht beschleunigen kann - durch keine Interventionstechnik der Welt. Es hilft nur annehmen und akzeptieren und warten. Geduld haben und Vertrauen in den Prozess des Lebens. Im Moment ist noch nicht der richtige Zeitpunkt, zu schlüpfen. Selbst wenn die Schale schon angebrochen ist, braucht der Schmetterling auch noch den Befreiungsprozess, um Blut in seine Flügel zu pumpen, damit er fliegen kann. Die Natur hat es so angelegt, dass er sich selbst helfen kann. Zum richtigen Zeitpunkt hat er die Kraft dazu.

Diese Kraft der Wandlung im Kokon zwischen den Welten der Raupe und des Schmetterlings bringt uns in andere Welten, in eine andere Dimension unseres Lebens. Es spielt keine Rolle, wie lange wir für diesen Prozess brauchen, jeder hat seinen eigenen Rhythmus, seine eigene innere Uhr. Wir sind alle unterschiedliche Schmetterlinge. Kein einziger ist wie der andere. Jeder ist einzigartig mit einem eigenen inneren automatisch ablaufenden Zeitplan.

Ich kann liebevolle Beobachterin dieses Prozesses sein. Wie eine Hebamme, die nicht zwingt, sondern mit Wärme, Zuversicht, Trost, Zuhören, Annehmen, Aufmerksamheit, Liebe, Da sein und Verständnis hilft, diesen Prozess auszuhalten, durchzustehen. Mir wohlwollend zureden, meinen Schmerz wahrnehmen und annehmen als Teil des Ganzen. Es darf schwer sein. Ungerecht. Kaum aushaltbar. Wissend, es ist Teil des Lebens. Leben ist eine Kraft, die sich zum richtigen Zeitpunkt von alleine entwickelt, zum Licht, zum Guten und in eine nächste Entwicklungsstufe.

In diesen gefühlt nicht-endlichen Wandlungsphasen setze ich mich mit mir selbst auseinander. Es gibt keine Zeit wo ich mehr Tagebuch schreibe, als in für mich schwierigen Zeiten. Wo ich Traurigkeit spüre, sobald ich auf andere Menschen schaue, die es augenscheinlich leichter haben, die jünger sind, schon mehr erreicht haben - scheinbar viel glücklicher und erfolgreicher sind. Es tut weh, auch wenn ich weiß, dieser Blick von außen ist immer nur ein Teil der ganzen Geschichte. Jeder hat sein Päckchen zu tragen.

Meine Seele - also ich - habe mir diesen Weg ausgesucht. Mit all den Herausforderungen. Weil ich lernen will. Mich weiterentwickeln. Mich selbst in schwierigen Zeiten annehmen wie ich bin. Mich lieben wie ich bin. Auch wenn ich Angst habe, traurig bin, neidisch, unter selbstgemachtem Druck stehe.

So geht es mir gerade. Mal gut. Mal schlecht. Tief innen voll Zuversicht. Und im Bewusstsein mit gemischen Gefühlen. Ich nehme mir all den Druck eines Zeitpunktes und nehme es jetzt an wie es ist: Unklar. Offene Fragen. Unsicherheit.

Die Schneedecke ist Vergangenheit. Bald werden die ersten Frühjahrsblumen vorwitzig nach draußen gucken, die Vögel zwitschern. Die Natur entwickelt sich ohne menschliches Zutun, durch die steigende Anzahl heller Stunden am Tag, durch Sonnenlicht, Wärme. Automatisch passiert das einfach. Das hat auch eine Wirkung auf mich, meinen Körper, meine Seele und dann entfaltet sich auch mein Inneres wie ein wundervoller Farnwedel ins Licht.

In Liebe und Erfurcht vor dem Leben
grüßt Sie ein übender, ungeduldiger Bald-Schmetterling

Anja Kolberg

*** Der Februar-Impuls erscheint morgen, Samstag. ***

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Erstellt durch: Anja Kolberg am Donnerstag, 31 Januar, 2013
Thema: Blog - 2013, 1. Halbjahr, Blog - Berufl. Orientierung, Blog - Dunkle Tage
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