Die Schönheit wohnt in jedem Körper.
Jederzeit. Du selbst

Lieber Körper!

Du bist ein wunderbares Gefäß für meine Seele. Danke, dass du da bist und mich durch mein Leben begleitest. Du bist mir ein guter Freund und in schweren Zeiten ein Ratgeber, wenn Krisen mich schütteln und du mir durch Beschwerden Hinweise zur Heilung geben möchtest. Ich hoffe, dass ich deine Botschaft rasch verstehe und mich an die nötige Veränderung in meinem Leben wage, damit wir beide, Körper und Seele bald wieder gesund werden. Und wenn ich es nicht schnell verstehe, dann hoffe ich auf deine Geduld und Gnade, mir die Zeit zu geben, die ich brauche, um zu begreifen, was nicht in Ordnung ist in meinem Leben.

Ich bin dankbar, dass du das Gewicht trägst, das ich dir auflade. Weil ich lange Zeit zum Beispiel lieber Schokolade gegessen habe, statt mich um mich selbst zu kümmern und um das, was ich wirklich brauche.

Ich bin traurig, dass ich es nicht geschafft habe, dich schon zu lieben, als ich noch ein Teenager war. Mein Gott, hatte ich da eine schöne Figur, doch ich fand meine Oberschenkel zu dick, sah die Wellen meiner Haut, die Waden waren mir zu dick, die Nase zu groß. Heute wünschte ich mir diese knackige Figur zurück. Doch stimmt das eigentlich? Nein, ich wünschte mir, ich hätte damals meinen Körper schon so geliebt wie er war. Nämlich richtig schön. Doch heute kann ich das tun, was mir früher nicht möglich war: Mich so lieben wie ich jetzt bin.

Meine Rundungen mit Dehnungsstreifen, Cellulitis und sanftweicher Haut. Trotz vierzig immer mal wieder ein Pickel, doch bringt mich das nicht mehr aus der Fassung wie ein Teenager, ich weiß, dass er wieder geht und ich deswegen nicht doof angeschaut werde. Graue Haare, die immer mehr werden und meine Haarfarbe verändern. Lockenkringel, die immer noch bleiben und mir gehörige Freude bereiten. Ein Busen, der nicht mehr steht, dafür mit entsprechenden Hilfsmitteln ;o) ein zauberhaftes Dekolleté hergibt. Falten auf den Händen, Lachfältchen um den Mund und die Augenwinkel. Nicht mehr ein Kinn, sondern je nach Lage auch mal zwei. Blaue Augen mit einem spannenden dunklen Rahmen um die Iris. Ein schönes Lachen und einen stattlichen Po.

Ja, ich bin eine vierzigjährige Frau. Ich darf so sein wie ich bin - mit all den Eigenarten meines Körpers, meines Gesichts.

Und wenn ich zwanzig oder vierzig Jahre nach vorne schaue, dann sehe ich noch mehr Veränderungen auf mich zukommen. Mehr weiße Haare, mehr Falten. Und die finde ich unglaublich schön. Wenn ich die Hände meiner Mutter anschaue, ihre grauen Haare, ihre Falten im Gesicht, wird mir ganz warm ums Herz. Sie erzählen Geschichten aus ihrem Leben. Oder wenn ich vierzig Jahre nach vorne schaue, dann bin ich fast im Alter meiner Großmutter: Noch immer schön. Unverkennbare Merkmale. Wunderschön weiche Haut, von der Sonne gezeichnet, von kleinen und großen Lebenslinien durchzogen, weiße Haare, nur noch an wenigen Stellen ein graues oder dunkles darunter. Anders als heute und einfach immer noch schön.

Die Schönheit des Alters ist eine andere als die der Jugend. Dafür um keinen Preis besser oder schlechter, nein, jede Zeit, jedes Alter, jedes Gewicht hat seine eigene Schönheit. Die Kunst ist es, sie zu sehen und zu lieben.

Liebe Anja, erinnere dich daran, wenn du wieder mit deinem Körper haderst. Du bist schön. Gleich welche Kleidergröße du trägst, gleich in welche Hosen oder T-Shirts du passt, mit braunen oder von grauen Strähnen durchzogenen Haaren. Mit Dellen, Falten und Altersflecken. Du musst nicht wie die Frauen im Fernsehen, in Katalogen oder in Zeitschriften ausschauen, um schön zu sein. Auch nicht abnehmen, eine glattere Gesichtshaut haben oder schmalere Beine: Du bist jetzt schön, genau in diesem Moment. Einfach weil du bist. Du musst nicht den aktuellen Schönheitsidealen entsprechen, um schön zu sein. Neben diesen Idealen gibt es ganze Universen von Unterschiedlichkeit und damit schöner Lebendigkeit.

Traurig stimmt mich das auf jung getrimmte Gesicht, dem die Lebenslinien entzogen wurden, glatt gespritzt an Stirn und Mundwinkel und dem damit so viel Lebendigkeit aus dem Gesicht gewichen ist. Ich finde Gesichter mit Falten wirklich schön. Sie haben so viel zu erzählen!

Traurig machen mich inzwischen auch die Aussagen "Oh Gott, sah ich da furchtbar aus." von Menschen, die abgenommen haben und stolz auf Vorher/Nachher-Bildern von ihrem Abnehmerfolg berichten, aber mit Abscheu auf ihr altes Ich schauen. Mich macht das traurig, weil sie Teile ihres Selbst ablehnen und das tut einfach weh.

Schönheit geht nicht mit dem Alter oder zunehmenden Gewicht. Sie verändert sich. Jedes Gewicht, jedes Alter hat seine eigene Schönheit. Attraktivität vergeht nicht.

Ich finde auch Männer mit Falten schön und grauen Haaren, auch wenn sie Glatze tragen, weil ihre Haare gehen wollten. Gestern lächelte mich ein Vater an, der mit seinem einjährigen Sohn sprach - beide hatten kaum Haare auf dem Kopf. Sowas attraktives!!!

Es ist wichtig, mich auch dann zu lieben, wenn ich mehr Speck als alle anderen auf den Hüften habe und mich auch dann schön und sexy zu fühlen. Mir nicht erst neue Kleidung zu gönnen, wenn ich abgenommen habe, und damit mein Jetzt indirekt bestrafe. Ich bin es jetzt schon wert, mich schön zu machen und schön und sexy zu fühlen. Und das spürt auch mein Umfeld.

Jeder Mensch hat zu jeder Zeit mindestens eine besonders schöne Einzigartigkeit an seinem Körper, die dem Betrachter gleich ins Auge fällt und anderes in den Hintergrund treten lässt. Augen, die Wärme, Liebe und Lebenserfahrung ausstrahlen oder lustig blitzen und den kleinen Kobold in diesem Menschen offenbahren. Ein Lächeln, das magisch anzieht. Eine Stimme, die sich wie warme Schokolade anfühlt. Haare, die fröhlich beim Gehen wippen. Hände, die so weich sind, dass man dahin schmelzen möchte, wenn sie meine Hände begrüßen. Einen Gang, der von Stolz und Stärke oder Sanftmut und Zartheit berichtet. Es gibt so viel besonderes und schönes an uns zu entdecken.

Wenn wir uns nicht immer wieder durch die Medien einen Spiegel vorhalten lassen, würden wir uns nicht beständig mit den scheinbar makellosen Menschen vergleichen, die uns dort begegnen. Wenn wir gar keine Spiegel hätten, würden wir vielleicht mehr auf unser Gefühl schauen, ob wir uns mit der Kleidung wohl fühlen, die wir tragen, ob die Schuhe bequem sind. Wir würden kein Gift in unser Gesicht spritzen, damit die Falten gehen, weil jeder Falten hätte und damit offen zu den Geschichten seines Lebens steht. Wir würden andere Menschen nicht mit gängigen Figur- und Fitnessschablonen bemessen, sondern auf ihr Herz schauen, auf ihr Lachen und die Erfahrungen, von denen sie erzählen. Wir würden auf ihre Träume hören, die Geschichten von den Stürmen ihres Lebens, die ihre Spuren im Gesicht hinterlassen haben. Wir würden erfahren, warum der Körper Schutz durch mehr Volumen braucht und die zarte Seele dahinter entdecken. Wir haben verlernt, uns ohne den Spiegel anzuschauen und vergessen, unsere wahre Schönheit zu sehen. So wie wir jetzt sind, sind wir das schönste, was wir im Moment sein können: Wir selbst.

Du bist immer attraktiv und liebenswert und schön. Einfach weil du bist. Ein einzigartiger Mensch. Wer dein Herz sieht und es erkennt, der sieht weder Falten, noch Doppelkinn, noch große Oberschenkel oder dicken Bauch, dem fallen auch bei einem Schwimmbadbesuch die Dellen an den Oberschenkeln nicht negativ auf. Warum? Weil sie zu dir gehören. Das bist du. All das macht deine Schönheit aus. Weder Kleidergrößen, noch glatte Haut, noch strahlend weiße Zähne, noch perfekt geschwungene Lippen, noch muskelgestählte Oberarme machen Schönheit aus. Die wirkliche Liebe strahlt vom Herzen durch den ganzen Menschen hindurch, nimmt seinen Körper mit ein - und zeigt damit seine wahre Schönheit. Das bist du. Mit allem drum und dran. Und wer dich nicht so liebt wie du bist, wie du jetzt ausschaust, der liebt ein stumpfes Idealbild, das niemals an die Schönheit herankommt, die du jetzt zeigst.

Dein Körper und dein Gesicht erzählen Geschichten aus deinem Leben. Von einem ganz besonderen Menschen: Von dir.

Von Herzen - dein Ich.

Anja Kolberg

PS: Nach alle dem, was ich mir in den letzten Jahren durch meine Therapie begriffen habe, kann ich heute sagen: Ich finde, ich sehe auch mit Kleidergröße 54 richtig gut aus! :o) *Hüpf* Das zaubert ein Lächeln in mein Gesicht und fühlt sich soooo gut an!

Erstellt durch: Anja Kolberg am Donnerstag, 12 August, 2010
Thema: Blog - 2010, 2. Halbjahr, Blog - Körper & Schmerzen
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