Veganes Leben. Ich esse keine Tiere mehr.
Meine Ethik & die Folgen - Teil 11

Seit Mitte Januar 2011 bin ich auf dem Weg, mich möglichst pflanzlich (vegan) zu ernähren. Das letzte Mal habe ich über meine Erfahrungen im Mai berichtet. Der Alltag hat sich schnell eingestellt. Passend zur Jahreszeit finde ich immer neue Gerichte, die auch meinem Mann (Teilzeit-Vegetarier) schmecken, bzw. sich für ihn anpassen lassen.

Es macht mir nichts aus, auf Fleisch und Wurst zu verzichten. Es kommt mir immer absurder vor, wie ich andere Lebewesen essen konnte und doch ist es eigentlich kein Wunder: Ich sehe als Käuferin nicht den "Herstellungsprozess", sondern nur die fertige Wurstpackung im Regal. Manchmal kommt es mir vor wie eine verrückte Parallelwelt, wo die Konsumenten mit schönen Werbefotos geblendet werden, damit sie gar nicht auf die Idee kommen, darüber nachzudenken, wie die Tiere lebten. Warum sollten Kühe unglücklich sein, die auf der Produktverpackung auf grüner Wiese mit bunten Blumen vor blauem Himmel grasen? Oder Hühner, die durchs frische Stroh hüpfen? Schöne bunte Marketingwelt. Ja, wirklich eine verrückte Welt, wie eine Matrix.

Keiner will wirklich freiwillig hinter die Kulissen der "Tierproduktion" gucken und die Produzenten haben auch etwas davon, dass es so ist. Müsste die Bevölkerung aufgeklärt werden wie es den Tieren geht, wie sie leben und sterben - ich glaube das Eßverhalten würde sich rasch ändern.

Es ist ja leider nicht so, dass all der Käse, Eier, Milchprodukte, Wurst mir nicht gut geschmeckt haben. Ich mochte sie immer gerne. Und wenn mein Mann heute über den Salat Schafskäse bröckelt, der göttlich gut riecht und mir das Wasser im Mund zusammen läuft, dann fange ich innerlich an, mit mir zu verhandeln. Wenn ich dann meine Gedanken auf die Lebensbedingungen der Tiere lenke, vergeht mir wieder der Appetit. Schwer ist es trotzdem. Meine Geschmackserinnerung ist eben noch sehr präsent.

Mir ist ganz wichtig, jedem seine Essenswünsche zu lassen. Ich berichte hier von meinem Weg und Leben. Deswegen sind andere Wege weder besser noch schlechter als meiner. Nur weil für mich 2011 der richtige Zeitpunkt war, mit dem Konsum tierischer Produkte weitestgehend aufzuhören, muss kein anderer diesen Weg gehen. Natürlich wünsche ich mir das und es ist nicht leicht, wenn man hinter die Kulissen geblickt hat, aber ich kann andere auch gut lassen. Wenn mich jemand fragt, erzähle ich über meine Ernährung. Sonst nicht. Natürlich hier im Blog, das ist ja meine Seite. Vielleicht bewege ich Menschen durch mein Beispiel?

Da ich meist den Einkauf erledige, schlug mein Mann irgendwann vor, möglichst Bio-Milcherzeugnisse und Bioeier für ihn zu kaufen. Wurstaufschnitt möchte er keinen mehr hier zu Hause haben. Morgens trifft er sich mit anderen Handwerkern in einer Kaffeebude, dort isst er, wonach ihm ist. Als Suppenbeilage habe ich Biowürstchen entdeckt, die er gerne mag. Es ist Monate her, dass in unserer Küche Fleisch zubereitet worden ist. Ich habe meinem Mann angeboten, ihm Bio-Fleisch zukaufen, wenn er das möchte, aber ich bereite es nicht mehr zu. Das muss er dann schon selbst in die Hand nehmen, zum Beispiel Hackfleisch für Frikadellen machen. Da ich meist koche, entscheidet er sich glaube ich auch aus praktischen Gründen für mein Essen, statt selbst zu kochen, wobei ich viele Gerichte gefunden habe, die sich variieren lassen.

Ein paar Fragen und Antworten rund um mein veganes Leben:

Wie bist du auf die Idee gekommen, dich vegan zu ernähren? Ich vermutete schon länger, dass die Tiere nicht gut leben, fand es nie richtig, sie für mich zu töten und hatte vor, mich vegetarisch zu ernähren. Doch das klappte nie. Bis zum Winter 2010/2011. Da passierte das...

Wie konntest du dir die Bilder anschauen? Die sind doch grausam. Ja, finde ich auch. Ich hab viele Jahre nicht hingucken können. Und als ich mir die Bilder der Tierhaltung dann letzten Winter angeschaut habe, habe ich viel geweint. Doch meine Tränen waren nichts im Verhältnis zu dem, was die Tiere durchmachen, jeden Tag.

Es sind doch nur Tiere. Warum engagierst du dich so für sie? Ich sehe bei unserem Hund, dass er Gefühle hat wie auch ich. Sie hat Angst, empfindet Freude, kann Scheu sein und übermütigt, macht Quatsch und merkt genau, wenn es mir nicht gut geht. Mein Mann und ich leiden wie verrückt, wenn sie krank ist. Sie ist für uns wie ein Familienmitglied und kein Gegenstand. Ihre Augen, ihre Gesichtsmimik verrät viel über ihre Gefühle. Und ähnliches Verhalten sah ich bei Pferden. Ich kann sie gut mit unserem Hund vergleichen. Ich würde niemals zulassen, dass es unserem Hund schlecht geht, er leidet. Warum lasse ich es dann bei anderen Tieren zu? Tiere sind soziale Wesen, leben im Familienverbund. Was maße ich mir an als Mensch, sie einzusperren, zu quälen, von ihren Familienmitgliedern zu trennen, auszubeuten, zu mästen, zu töten? Nur weil ich es kann? Für meinen kurzen Genuss? Wie lange esse ich ein Steak? Wie wichtig ist mir mein Genuss? Ich will nicht, dass Tiere für mich leiden oder sterben. Natürlich ist diese Welt sehr groß. Ich fange bei mir im kleinen an...

Verzichtest du auf alle tierische Produkte? Nein. Zunächst einmal nutze ich weiter die Waren, die ich schon hatte (Lederschuhe, eine schafswollene Decke, ein Plümo aus Kamelhaar, Minus Ledergeschirr...). Ich fände es respektlos, die Sachen jetzt einfach wegzuwerfen. Ich achte jedoch bei Neuanschaffungen darauf, dass sie nicht tierischen Ursprungs sind. Schuhe gibt es z.B. sehr viele aus Lederimitat. Wenn ich eingeladen bin, esse ich auch normal gebackenen Kuchen oder löffle eine Hühnersuppe mit (lasse das Fleisch weg), um es für die Gastgeber einfacher zu machen. Wobei ich viele Gastgeber erlebe, die eine vegetarische Variante gekocht haben und sich viel Mühe geben. Das freut mich natürlich besonders. Morgens esse ich ein Croissant, das nicht tierfrei ist oder ein Milchbrötchen. Oder ich nehme auch von der Remoulade, die mein Mann sonst auf die Fritten gibt. Die ist auch nicht vegan. Einige Ausnahmen brauche ich noch. (Update: Seit dem Erlebnis mit Berta Füßchen im September 2013 esse ich keine tierischen Produkte mehr und ernähre mich ganz vegan. Wenn bei Einladungen nichts pflanzliches da ist, mache ich beide Augen zu und suche die Alternative mit möglichst wenig tierischen Inhaltsstoffen, um es für die Gastgeber und mich selbst einfach zu machen. Das ist mir wichtig. Doch wie geschrieben: In der Regel machen sich alle eine totale Mühe mit mir und das ist wundervoll!)

Hast du körperlich Veränderungen festgestellt? Ja. Ich habe ca. 18 kg in den letzten Monaten an Gewicht verloren, ohne auf das Essen zu achten. Ich habe so viel Pflanzenöl zum Beispiel in Salatsoßen zu mir genommen wie nie zuvor, ich esse abends Chips (ja, es gibt vegane), Schokolade (Zartbitter) usw. Vor zwei, drei Jahren habe ich mal gesagt: 'Irgendwann fällt das Gewicht von mir ab, ohne dass ich was dafür machen muss.' (Und dachte gleichzeitig: Was für eine verrückte Idee. Wie soll das denn gehen?) Doch genau so ist es gekommen. Ich musste mich dafür nicht anstrengen, kein Sport. Es ging einfach so. Ich sehe es als Geschenk der Tiere an mich an. Ich nehme es als angenehme Nebenwirkung an, denn ich mache die Ernährung ja nicht, um abzunehmen. Was passiert, passiert, wenn nicht, dann nicht. Es kann auch gut sein, dass ich wieder zunehme. Auch das ist dann o.k.

Mein Hausarzt und mein Schilddrüsen-Doc (habe Autoimmunerkrankung der Schilddrüse, Hashimoto-Thyreoiditis) waren mit meinen Werten sehr zufrieden. Ich hatte im Sommer weniger Probleme mit meinen Lymphödemen in den Beinen als sonst. Übrigens machten mir gerade meine Ärzte Mut für den veganen Weg und nahmen mir Sorgen, die von außen an mich heran getragen wurden. Zum Beispiel erzählte mir mein Schilddrüsen-Doc, der in einer Arztfamiie in Indien aufgewachsen ist, dass es dort normal ist, sich vegan zu ernähren und er keine Zusatzprodukte nimmt. Mein Frauenärztin meinte, ich müsste mir keine Sorgen um Mangelerscheinungen machen, keine Zusatzpräparate einnehmen, solange ich mich mit Biogemüse z.B. aus dem Biomarkt versorge. Sie erzählte, Inder, die nach England ausgewandert waren und sich dort auch pflanzlich ernährten, hätten B12 Mangelerscheinungen auf der Insel bekommen. Das lag daran, dass sie kein naturbelassenes Gemüse vom Feld wie in Indien aßen, sondern Produkte, die aus den Gewächshäusern kamen. Deswegen sollte ich auf naturbelassenes Gemüse achten. Das fand ich richtig ermutigend.

Warum verzichtest du auch auf Eier? Die Tiere sterben doch daran nicht. Ja, das stimmt. Zumindest nicht unmittelbar. Aber indirekt schon. Die Hälfte der Hühner werden nach dem Schlüpfen getötet, weil sie keine Eier legen können, nämlich die männlichen Küken. Legehühner sind nach einem Jahr 'durch' und werden geschlachtet. Die Tiere sind einfach nicht für die Produktion so vieler Eier gemacht. Ich wusste zum Beispiel nicht, dass die Urhühner nur einmal im Jahr Eier legten. Biohühner haben zwar mehr Platz und bekommen besseres Futter, doch an den männlichen Küken und daran, dass sie, wenn die Eierproduktion nachlässt, getötet werden, ändert sich nichts. [Hinter die Kulissen gucken.]

Warum nimmst du keine Kuhmilch mehr in den Kaffee? Warum schmierst du dir keine Butter mehr aufs Brot und nimmst auch sonst keine Milchprodukte mehr? Milchkühe geben doch einfach Milch... Auch hier sterben die Kühe natürlich nicht unmittelbar durch das Geben der Milch, das stimmt. Aber auch hier werden die Tiere - ohne Chance 'nein' zu sagen - ausgenutzt (Nutztiere). Eine Kuh gibt nur dann Milch, wenn sie ein Kälbchen bekommt. Das ist wie bei uns Frauen auch. Einmal im Jahr muss die Kuh ein Kälbchen gebären, sonst lässt der Milchfluss nach. Das Kälbchen wird in der Massenproduktion nicht lange bei ihrer Mutter bleiben. Was wird aus den Kälbchen? Nun, sind sie weiblich, werden aus ihnen neue Milchkühe. Sind sie männlich, werden sie früher oder später zu Fleisch verarbeitet (= zartes Kalbfleisch). Kühe können diese Lebensbedingungen nicht ewig mitmachen, nach einigen Jahren sind auch sie 'durch' und werden durch jüngere Kühe ersetzt. Ende: Der Weg zum Schlachter. Die Massenproduktion von heute hat nichts mehr mit der heilen Bauern- und Berghofwelt von früher zu tun. [Hinter die Kulissen gucken.]

Bei diesem ganzen System der Ausbeutung will ich nicht mehr mitmachen. Wenn ich bemerke, dass ich immer noch Ausnahmen mache, höre ich oft: "Man soll ja auch nicht so streng sein." Das stimmt. Auf der anderen Seite ist es ein blödes Gefühl zu wissen, ein Lebewesen muss für meinen Genuss leiden. Das finde ich nicht ok. Doch die Verdrängungsmechanismen sind ziemlich stark... Ich weiß, es wird mir gelingen, langfristig auch von meinen Ausnahmen noch Abstand zu nehmen.

Kannst du noch auswärts essen gehen? Ja. Ich gehe zwar selten aus, aber das geht gut. Zum Beispiel beim Thailänder ist das gar kein Problem. Beim Italiener habe ich mich für einen gemischten Salat entschieden. Die Soße war nicht vegan, das war aber ein Kompromiss, mit dem ich sehr gut leben konnte. In Köln gibt es einige Restaurants, die veganes Essen bieten, ich habe sie aber noch nicht ausprobiert.

Und essen bestellen? Machen wir gerne. Besonders für meinen Mann schön, weil er sich dann die Fleischvariante bestellen kann. Wir haben zwei Adressen: Beim Thailänder findet jeder von uns was. Beim Pizza-Dienst habe ich mir Nudeln mit scharfer Tomatensoße bestellt. Auch eine Lösung. Ja, es kann sein, dass die Nudeln mit Eiern waren. Doch ich konzentriere mich dann auf das große Ganze und das geht dann gut.

Warum eigentlich möglichst Bio-Produkte? Bei den tierischen Produkten, weil die Tiere genfreies Futter bekommen und bessere Lebensbedingungen haben, zum Beispiel mehr Auslauf und mehr Zeit, zu wachsen. (Klar, sie werden auch auf dem Biohof nicht totgestreichelt. Sterben müssen sie dort auch, aber wenigstens haben sie ein etwas besseres Leben gehabt, als ihre Freunde, die in Tierfabriken leben.) Bei den anderen Produkten kaufe ich möglichst bio, weil damit auch die Lebensbedingungen für alle besser sind. Es macht für die Anwohner einen Unterschied, ob die Felder gespritzt werden oder nicht. Irgendwer zahlt immer die Zeche. Wenn Wurst wenig kostet, ist das ein Zeichen, dass die Tiere keine guten Lebensbedingungen hatten. Wenn ich einen billigen Pullover kaufe, kann ich mir ausrechnen, dass der Arbeiter in der Produktion einen Hungerlohn bekommt. Wenn ich keinen gerechten Preis bezahle, zahlt ihn jemand anderes. Das Tier. Der Bauer. Der Arbeiter. Das will ich nicht mehr unterstützen. Und da ich nicht mehr Geld als vorher in der Tasche habe und wir auch keine reichen Menschen sind, bedeutet das: Weniger ist mehr... Wobei auch hier gilt: Langsame Schritte. Auch ich kaufe noch günstige Mode ein. Doch habe ich langfristig ein Ziel im Auge.

Kostet es nicht viel mehr Geld, bio einzukaufen? Bioprodukte sind teurer. Das stimmt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass wir unterm Strich nicht weniger Geld im Beutel haben. Fleisch ist auch teuer, das fällt ja schon als Ausgabe weg. Inzwischen habe ich kein Problem mehr, mehr Geld für Bio-Produkte zu zahlen.

Was isst du denn? Nur Gemüse und Obst? Ich esse Pflanzen und Produkte aus Pflanzen. Da kommt eine ganze Menge zusammen. :o) Es gibt viele leckere Sachen, die vegan sind und in normalem Supermarkt zu kaufen sind. Auch viele Gerichte habe ich ausprobiert, die schnell zuzubereiten sind, auch meinem Mann schmecken bzw. für ihn leicht verändert werden können. Einige habe ich in Blog - Vegan werden und leben schon vorgestellt (durchscrollen). Mehr davon in meinem nächsten Beitrag. Und hier gibt es viele weitere Rezepte Blog - Vegane Rezepte. 

Hier geht es weiter: Berta Füßchen - Meine Ethik & die Folgen - Teil 12 

Anja Kolberg

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Das Nutzen der Inhalte außerhalb dieser Webseite erlaube ich nicht.

Erstellt durch: Anja Kolberg am Sonntag, 11 Dezember, 2011
Thema: Blog - 2011, 2. Halbjahr, Blog - Vegan werden und leben
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