Wendepunkt - Neues aus Südafrika

Lisa Balz, die mutige Münchnerin, die seit einigen Jahren in Südafrika lebt und arbeitet, hat mir und damit auch Ihnen einen neuen Bericht geschrieben. [Die anderen Berichte finden Sie unter "Südafrika-Bericht".] Ich freue mich sehr darüber. Mir fällt zu dem Bericht das Zitat von Karl Barth ein "Nicht aussteigen im Sturm, sondern weiterrudern!" Das Lisa Balz dies schafft, hat die starke Frau wieder einmal bewiesen! Hut ab! Winkewinke in den Süden unserer wunderschönen Erdkugel und weiterhin viel Freude und vor allen Dingen Erfolg auf dem Weg der Selbstständigkeit, liebe Lisa! Danke für den Beitrag! Anja Kolberg


Somerset West, 23. September 2007


Kurz nach der Veroeffentlichung meines letzten Berichts hier auf der Webseite wurde ich zu einem - zunaechst - vielversprechenden Geschaeftsbesuch nach Deutschland “eingeflogen”! Eine in Deutschland ansaessige Firma, die Grosskuechen plant, baut und einrichtet, wollte nach Suedafrika expandieren. Nachdem die Firmeninhaber sich bei einm Besuch hier in Kapstadt von meinen organisatorischen Faehigkeiten ueberzeugt hatten und auch der zwischenmenschliche Kontakt stimmte, wurde ich nach Deutschland eingeladen. Im gesamten Bundesgebiet – von Hamburg bis Muenchen – konnte ich mich in verschiedenen Objekten umsehen und von der ausserordentlich guten Qualitaet der Produkte ueberzeugen. Dieses Geschaeft in Suedafrika aufzubauen war genau nach meinem Sinn. Eine grosse Herausforderung – doch davor hatte ich mich ja noch nie bange gemacht! Doch trotz mehrfacher muendlicher Zusagen kam dieses Geschaeft nicht zustande. Der mir gegebene Grund war sooo offensichtlich nicht der wahre. Ich ahnte zwar den wahren Grund – doch was soll’s!


Einen Tag vor dem engueltigen NEIN nahm ich die Gedanken ueber das Suedafrika-Projekt mit auf meine morgendliche Joggingrunde. Ploetzlich ging mir durch den Kopf, dass ich auf diese Firma zum Aufbau meines Geschaeftes nicht angewiesen war! Ob die Firma mich angestellt haette oder nicht – ich haette die gesamte Arbeit in Suedafrika sowieso selber machen muessen! Wenn ich sowieso alles allein machen muss, warum muss ich dann als Angestellte arbeiten?! “Hey Jungs – ich brauche euch gar nicht!” Dieser Gedanke war so aufregend fuer mich, dass ich nicht auf den Weg achtete, und mich verlief! Mit einem tiefen Lachen erweiterte ich halt meine Joggingrunde. Diese Einstellung gab mir soviel Kraft, dass ich die ablehnende e-mail aus Deutschland gelassen lesen konnte.


Fuer mich war diese ganze Aktion ein reiner Gewinn: An den Geschaeftsbesuch hatte ich noch ein paar Tage Urlaub gehaengt um meine Familie und Freunde zu sehen. Das war ein unerwartetes Geschenk fuer mich!


Kurz nachdem ich wieder daheim in Suedafrika war, hatte ich die Eingebung zu einem landesweit auszubauenden Selbstversorgungskonzept, basierend auf der Idee, Frauen zu selbstaendigen Kleinunternehmern auszubilden. Diese Idee unterbreitete ich sogar der Buergermeisterin von Kapstadt, Helen Zille, die mir dafuer ihre Unterstuetzung zusagte! Dieses Projekt nahm mich so gefangen, ich investierte soviel Zeit, dass ich mein eigentliches Geschaeft vernachlaessigte und keine neuen Kunden warb. Fatal, fatal! Zugunsten meines Ueberlebens legte ich dieses Projekt zunaechst auf Eis.


Mehrere kleine Auftraege hielten mich finanziell noch nicht einmal “ueber Wasser”. Einen vielversprechenden grossen Auftrag musste ich leider nach 2 Wochen abbrechen, weil der Besitzer des Restaurantes sich schlichtweg weigerte, meine Rechnungen zu zahlen. Nach etlichen Telefonaten und Besuchen in seinem ausserordentlich stilvoll eingerichteten Restaurant und einer subtilen aber ueberaus wirksamen Drohung bekam ich dann endlich mein Geld. Dieses ganze Theater muss ich nicht unbedingt haben! Es war schon nervenaufreibend!


Wie im richtigen Leben taten sich auch noch andere Schwierigkeiten vor mir auf. Wie immer dachte ich, dass ich alles mit mir allein ausmachen muesste. Die Frage nach meinem Befinden beantwortete ich in der letzten Zeit sehr diplomatisch: “Mir geht es gut – die Umstaende koennten halt besser sein.” Doch mir ging es nicht gut!


Zwei mittlere Projekte, an denen ich arbeitete, wurden aufgeschoben. Der Grund: beide Firmen haben cash-flow Probleme. Fuer mich heisst die Formel: keine Arbeit = kein Einkommen. Das traf mich hart! Mein Geld ging zur Neige, meine Kreditkarte war bis zum Limit ueberzogen, ich konnte die dringend notwendige Autoreparatur nicht bezahlen, sass auf einem Haufen unbezahlter Rechnungen, bekomme hier keine Kredite, da ich weder Suedafrikanerin bin noch Eigentum besitze.


Um das Dilemma vollstaendig zu machen, schwimme ich gerade durch die Hitzewellen der Menopause…………..


Das alles zusammen fuehrte vor 6 Wochen zu einem totalen Zusammenbruch, der mich allerdings wachruettelte!


Ich gestand mir den wirklichen Beweggrund hinter der Behauptung ein, dass ich Familie und Freunde nicht mit schlechten Nachrichten ueber mein Wohlergehen beunruhigen wollte ----- ich wollte nicht bemitleided werden und wollte nicht als Verliererin dastehen. Das haette meinem Selbstwertgefuehl geschadet!


Meine erste – und vielleicht wichtigste - Entscheidung war, mich zu oeffnen und um Hilfe zu bitten. Freunden und Familie gegenueber nicht mehr vorzugeben, dass es mir gut geht. Ganz klar zu sagen: “Mir geht es schlecht! Kannst Du mir vielleicht Geld leihen, damit ich meine Miete zahlen kann?” Ich bot und biete meine Hilfe immer sehr grosszuegig an. Doch um Hilfe zu fragen………. das stand fuer mich auf einem voellig anderen Stern! Jetzt nicht mehr! Ploetzlich entdeckte ich den wahren Sinn des Wortes “Freundschaft”, den “Empfangsteil” der Freundschaft!


Ein warmes Gefuehl.


Die zweite Entscheidung bezog sich auf meine Selbstaendigkeit. Seit einigen Wochen verdichtete sich die Gewissheit in mir, dass ich irgendetwas in meinem Business nicht richtig machte. Sonst waere ich besser dran als ich bin! So entschloss ich mich, mir einen Business-Mentor zu suchen. Ich weiss einfach, dass ich in meinem beruflichen Bereich, in meinem Handwerk, excellent, brilliant bin, doch ich brauche jemanden, der sich die geschaeftliche Seite ansieht: Werbung, Kundenaquise, Kundengespraeche, das Festsetzen von Honoraren, etc.


Gerade wenn es um das Aushandeln von Honoraren geht, stolpere ich immer wieder ueber die letzten Reste meines tief verwurzelten Minderwertigkeits-komplexes. Im Kopf weiss ich schon lange, dass dieser Komplex lange ueberholt sein sollte. Doch anscheinend ist da ein Knoten zwischen meinem Kopf und dem Bauch. Solange dieser Knoten nicht geloest ist, werde ich nicht erfolgreich sein, werde ich mir selber immer wieder im Wege stehen. Ausserdem hatte die Erfolglosigkeit gewaltig an meinem Selbstbewusstsein geknabbert…………..


Zwei Tage nachdem ich diese Entscheidung getroffen hatte, bekam ich die Einladung zu einem Mentorship-Kurs, den die Industrie- und Handelskammer anbot! Dieser Kurs brachte so manches AHA-Erlebnis! Die Essenz daraus: die Basis fuer meine Selbstaendigkeit – dazu noch in einem fremden Land - war mehr auf Gottvertrauen denn auf Planung gegruendet!


Zum gleichen Zeitpunkt bekam ich den Auftrag fuer eine Traum-Beratungstaetigkeit! Jemand bat mich, sein soeben erworbenes Restaurant, das vom Vergaenger ziemlich heruntergewirtschaftet war, auf Vordermann zu bringen. Ein Job nach meinem Herzen! Systeme aller Art einzufuehren und vor allem das Personal zu trainieren. Es ist wunderbar fuer mich zu sehen, wie schnell das Personal meine Ideeen aufgreift und annimmt! Zu sehen, wie Menschen aufbluehen, denen vorher kaum jemand Beachtung geschenkt hat!


Diese Taetigkeit hat noch einen weiteren entscheidenden Vorteil: Das Restaurant ist Teil einer Franchise-Kette, die nicht nur ca 70 mal in Suedafrika zu finden ist sondern bereits auch in Australien und in China!
Watch this Space!

Zum Abschluss moechte ich noch einmal auf eine fruehere Bemerkung zurueckkommen – dass ich nicht als Verliererin angesehen werden wollte. In der vergangenen Woche zeigte mir eine Lady mein Verhalten in einem anderen Licht. Der Schritt in die Selbstaendigkeit, besonders nach den langen Jahren im Angestelltenverhaeltnis, sei zu vergleichen mit dem Erlernen des Radfahrens: man probiert es aus, faellt hin, steht auf; probiert es, faellt hin, steht auf und probiert so lange, bis das Rad momentum gewinnt und man den Weg entlangfaehrt! Zunaechst natuerlich in Schlangenlinie doch dann immer selbstbewusster geradeaus.


In den letzten Jahren sei ich mehrmals “hingefallen”, doch ich sei immer wieder aufgestanden. Das sei ja nun wahrlich keine Verlierereigenschaft!

Jetzt hat “mein Rad momentum aufgenommen” und ich sehe Licht am Ende des Tunnels. Es scheint hell und klar!


Es ist wunderbar fuer mich, meine persoenliche Veraenderung zu beobachten. Der Durchbruch kam in dem Moment, als ich bereit war, um Hilfe zu bitten. Als ich mir zugestand, dass ich nicht immer alles allein bewaeltigen muss. Als ich bereit war mich zu oeffnen.


Das Gottvertrauen nimmt weiterhin einen wichtigen Platz ein. Ich weiss einfach, dass Gott groesseres mit mir vor hat. Mit einem Laecheln sage ich, dass ich es ihm mit besserer Planung und Aktionen von meiner Seite etwas leichter mache.

Es ist Fruehlingsanfang in Suedafrika und ich komme mir vor wie eine Raupe, die ihren beengenden Pelz abwirft und sich zu einem wunderschoenen Schmetterling entfaltet!

Alles, alles Liebe aus dem sonnigen, kalten Sueden

Lisa

© Foto von Lisa Balz: Frenske Otzen
Die Webseite von Lisa Balz

Erstellt durch: Anja Kolberg am Montag, 24 September, 2007
Thema: Südafrika-Bericht
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