Gelesen: Tanz auf Glas

Die Geschichte:

Lucy liebt Mickey, der an einer bipolaren Störung leidet. Der kann sein Glück nicht fassen: Diese tolle Frau interessiert sich für ihn, trotz seiner Krankheit. Nun, Mickey liebt auch Lucy, die ihre Mutter wie auch weitere Verwandte früh an den Brustkrebs verlor. Beide erzählen uns zuerst ihre Liebesgeschichte. Geschrieben aus der Ich-Perspektive: Lucy als Erzählerin. Mickey über Tagebucheintragungen. Das lässt alles Geschehen sehr nah an uns heran treten.

Wir erfahren viel über die Krankheit Mickeys, seine Symptome, Medikamente. Wir erleben Klinikaufenthalte, Manie und Depression und wie die Auswirkungen auf sein Leben und das seines Umfeldes ist. Seine Ehefrau Lucy geht damit erstaunlich gelassen und stark um. Ihre Schwestern, mit denen Lucy stark verbunden ist, können es kaum fassen.

Das Ehepaar schwor sich vor zwölf Jahren aufgrund ihrer Krankheiten, keine Kinder zu bekommen. Doch dann passiert es: Lucy wird schwanger, trotz Sterilisation. Das wirft das Paar und die gesammte Familie in tiefe Auseinandersetzungen, besonders als Mickey seine Medikamente zur Stimmungsstabilisierung wieder unregelmäßig nimmt und Lucys Frauenärztin plötzlich eine dringende zusätzliche Gewebeuntersuchung ihrer Brust verordnet.

Ein gutes Buch. Trotzdem eine mir wichtige Warnung für alle zart besaiteten wie ich es bin: Die Geschichte ist sehr traurig. Ich kann mich nicht erinnern, bei einem Buch über einen so langen Zeitraum so gelitten und geweint zu haben. Achtung Spoileralarm (heißt, nicht weiterlesen, wenn Sie die Geschichte Schritt für Schritt entdecken wollen, denn ich verrate jetzt mehr über die Geschichte):

Wir beobachten das Sterben einer werdenden Mutter an Brustkrebs, die sich gegen eine Behandlung entschieden hat, um das Kind auf die Welt zu bringen. Dabei erleben wir hautnah, welchen Schmerz dies ihrem Mann, ihren beiden Schwestern, ihr selbst und letzten Endes auch uns, als Leserin bereitet. Ich hätte mir diesen Hinweis gewünscht, denn am Tag nachdem ich das Buch endlich ausgelesen hatte (ich las das Buch Gott sei dank im Urlaub) waren meine Augen so geschwollen vom Weinen, dass ich Ruhe brauchte und ziemlich mitgenommen war. Ich hätte mir diesen Hinweis gewünscht, auch wenn ich das Buch wegen des Hinweises vielleicht nicht gelesen hätte. Denn einmal angefangen, wollte ich auch wissen, wie es ausgeht, ich konnte es nicht zur Seite legen, obwohl ich ahnte, wie die Geschichte weiter geht.

Dennoch ist dieses Buch gut. Weil es voller Tiefe, Weisheit und detaillreicher authentischer Beschreibungen rund um das Thema bipolare Störung und Krebs ist. Weil wir viel zwischenmenschliche Wärme, ein Miteinander und Füreinander in der Familie und Nachbarschaft und Freunden erleben, die gut tut und Hoffnung selbst in ausweglosen Situationen macht. Die Autorin Ka Hancock erzählt so realistisch, als hätte sie die Geschichte hautnah erlebt. Bezogen auf die bipolare Störung (Typ 'fast cycling') mag das an ihrer Arbeit als Krankenschwester im psychiatrischen Bereich liegen. Interessant fand ich die beiden Perspektiven, wie der Betroffene selbst seine Krankheit erlebt, wie seine Frau damit umgeht, welche Hilfen sie sich im Alltag bauen und wie sehr seine Frau an ihn glaubt, mehr als er selbst oder ihre Familie.

Es lohnt sich auch zu lesen, weil es Mut macht, selbst abgrundtief schlimme Schicksalschläge zu überstehen. Nämlich Tag für Tag. Schritt für Schritt, als würde es nur ein heute geben. Die Auseinandersetzung mit dem Sterben einer jungen Frau ist grausam. 'Tanz auf Glas' zeigt trotz allem Schmerz - oder gerade deswegen - wie kostbar das Leben ist und trotz der dunkelsten Aussichten, für die es keinen Ausweg gibt, im hier und jetzt zu leben und zu genießen, was geht.

Und noch ein Grund, es zu lesen sind wunderbare Sätze wie: 'Ich leide unter Leblosigkeit.' oder 'Für (...) wünsche ich mir, dass sie die verborgene Freude in einem unvollkommenen Leben entdeckt.'

Geschrieben von: Anja Kolberg

Ka Hancock: Tanz auf Glas; Knaur Verlag; Erschienen 9/2013; 528 Seiten; ISBN 978-3-426-65322-7

Direktlink dieses Artikels, um darauf zu verweisen:
https://www.frauencoaching.de/archives/2014/04/entry_6837.html
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Erstellt durch: Anja Kolberg am Freitag, 25 April, 2014
Thema: Blog - 2014, 1. Halbjahr, Buch: Schmöker
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