"Eine einzigartige Lektion in Menschlichkeit"
Buch-Besprechung

"Eine einzigartige Lektion in Menschlichkeit" - wollte die Autorin Heather Morris abliefern, als sie die Geschichte von Lale Sokolov aufschrieb.

Den Titel mag ich gar nicht nennen, weil er abschreckend sein kann. Für mich war er es. Aus Angst vor der Grausamkeit darin und vielen Tränen hätte ich mir dieses Buch nicht gegriffen, wenn nicht meine lesefreudige Blumen-Freundin Petra mir das Buch über die Ladentheke geschoben und davon vorgeschwärmt hätte. Seit Oktober lag es bei mir und wollte gelesen werden. Gestern war mein "Schlafanzug-Sonntag", der PC aus, der Schreibtisch wurde umschifft und mein Blick fiel auf das Buch.

Warum nicht einfach mal probieren? Wenn es mir nicht gefällt, kann ich es ja zur Seite legen. Ich machte es mir auf der Couch bequem. Es war halb drei und ich begann zu lesen. Die Welt um mich herum habe ich vergessen, selbst das Fernsehprogramm überhörte ich (das bedeutet bei mir etwas, weil ich leicht abgelenkt werden kann). Um halb zehn am Abend las ich die letzten Zeilen und klappte es zu. Es ist selten, dass ich Bücher in einem Rutsch durchlesen kann, aber es zog mich von der ersten Seite in seinen Bann.

Was für ein wichtiges Werk für das Erinnern!

Um was geht es? Es geht um die Geschichte von Lale, einem Juden, der mit 26 Jahren nach Auschwitz deportiert wird und sich dort schwört, zu überleben. Ihm wird schon früh klar, dass dies nur möglich ist, wenn er keine Emotionen zeigt, sondern unterwürfig, brav und unauffällig ist und auch Unrechtes macht, was außerhalb dieser Mauern undenkbar für ihn wäre. Er macht eine Arbeit, für die er verachtet wird: Er sticht den Ankommenden die Nummern in die Unterarme. Dabei lernt er eine junge Frau kennen und verliebt sich. Mit aller Kraft wünscht er sich, dass sie beide das Lager überleben. Seine Form des Widerstands gegen die Nazis.

Von diesem Überleben in unfassbaren Zuständen berichtet das Buch. Von der Grausamkeit und Kälte des Krieges hinter den Mauern von Birkenau und Auschwitz, Krematorien, Ascheregen, Willkür, Mengele. Davon Freunde zu verlieren. Aber auch wie Menschen sich füreinander einsetzen, von Liebe, von Freundlichkeit, von Glück. Davon wie Lale durch seine Privilegien einen kleinen Handel aufbauen kann, so manchen rettet und mehr als einmal fast stirbt.

Lale und Gita schaffen es, immer noch einen Tag länger zu leben, der nötig ist, um ihr Leid zu überwinden.

Der Drehbuchautorin Heather erzählt Lale die Geschichte ihres Überlebens, nachdem er über 50 Jahre geschwiegen hat und seine Frau gestorben ist.

Entgegen meinen Befürchtungen habe ich nicht geweint oder gelitten. Ich konnte die grausamen Erlebnisse erstaunlicherweise gut verarbeiten. Ich weinte nur ein Mal, als einer der Gefangenen - die alle unter Hunger litten - sein Essen einem anderen gab, der für eine Fußballmannschaft gegen die SS aufgestellt war, weil der es mehr brauchte. Solche Momente zeigen die Menschlichkeit, die auch Lale immer wieder beweist.

Titel: Der Tätowierer von Auschwitz. Die wahre Geschichte des Lale Sokolov
Autorin: Heather Morris
Verlag: Piper
ISBN: 978-3-492-06137-7

In Mitgefühl für alle, die im zweiten Weltkrieg litten und an alle folgenden Generationen, die heute noch mit den Auswirkungen leben. Das Buch hat mir klar gemacht, warum viele der Generation, die den Krieg erlebten, ihre Emotionen auch heute nicht zeigen können, nicht weinen können. Nur so konnten sie überleben, in dem sie kalt nach außen waren, nichts an sich heran ließen, keine Träne weinten - obwohl sie das Grauen erlebten. (Stichwort Kriegskinder/Die vergessene Generation...)

Danke an Petra für diesen wertvollen Tipp!

Anja

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Erstellt durch: Anja Kolberg am Montag, 31 Dezember, 2018
Thema: Blog - 2018, 2. Halbjahr, Buch: Schmöker
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