Trauer ist Leben - Meine Gedanken

Pfingstmontag starb überraschend die Mutter meines Mannes. Tiefer Seufzer. Sie fehlt. Viele Jahre hat sie sich tapfer ihrer Erkrankung gestellt. Der Gedanke, dass ihr weiteres Leid erspart blieb, tröstet ungemein. Ich mochte meine Schwiegermutter, eine freundliche, lustige, herzensgute Frau, die sehr gerne kochte. Dank ihr kann mein Mann so gut kochen. :-) Sie war noch so jung, gerade mal Anfang 70.

Das lässt mich sehr nachdenklich werden. Einige meiner Gedanken, die ich im Zuge der Trauer seit dem hatte, möchte ich mit dir hier teilen:

Trauer ist Leben

Ein geliebter Mensch geht und hinterlässt eine Lücke, verändert den Alltag. Traurigkeit um das, was nicht mehr sein kann. Dankbarkeit für das, was war.

Und die Reflexion des eigenen Lebens: Ist mein Leben erfüllt? Wenn ich heute gehen müsste, wäre ich zufrieden? Oder fehlt etwas? Wie kann ich das in mein Leben einladen, um eines hoffentlich fernen Tages sagen zu können: "Mein Leben war toll und damit bin ich glücklich. Ich habe es genossen und das Geschenk genutzt."

Im Moment bin ich davon entfernt und deswegen bin ich dankbar für die Chance, nun darüber nachdenken zu dürfen.

Trauer ist Schmerz

Schmerzlich wurde mir fünf Tage nach der Todesnachricht beim Renovieren unseres Vordaches bewusst, dass ich mit der Mutter meines Mannes nicht mehr unsere Fortschritte an ihrem Elternhaus per Whatsapp teilen kann. Das hat uns beiden Freude gemacht und ist nun vorbei. An solchen lieb gewonnenen Ritualen spüre ich den Verlust, die Lücke, die Veränderung einer jahrelangen Verbindung. Puh, das hat sehr weh getan und so liefen mir bei der Arbeit viele Tränen die Wangen herab.

So war es auch bei Minu, unserer Hündin nach ihrem Tod, wo es viel mehr Berührungspunkte gab, da sie bei uns im Haushalt lebte: Für alles gab es ein schmerzliches erstes Mal danach. Beim zweiten Mal tat es ein klitze kleines bisschen weniger weh.

Und so wird es auch jetzt sein. Auch wenn es noch viele traurige Momente auch bei den künftigen Renovierungen geben wird. Wir hätten meiner Schwiegermutter gerne noch so viel gezeigt ...

Nun schaut sie aus dem Himmel zu und vielleicht sind wir deswegen trotz einigen Hindernissen große Schritte voran gekommen.

Trauer braucht Respekt  

Trauer ist etwas höchst persönliches und individuelles. Deswegen ist Respekt wichtig für unsere unterschiedliche Art, mit einem Verlust umzugehen.

Jede*r geht mit seiner Trauer anders um. Nur weil sich meine Art zu trauern richtig anfühlt, heißt es nicht, ein anderer Umgang damit ist falsch. Nicht jede*r zeigt seine Trauer durch Tränen, nicht jede*r spricht über seinen Verlust. Manche verarbeiten innerlich, was andere offen zeigen und aussprechen. Die Art, mit der Trauer umzugehen, hat nicht unbedingt etwas damit zu tun, ob einem der Verstorbene mehr oder weniger wichtig war.

Für mich macht es auch einen Unterschied, wie nahe mir ein Mensch ist, wie die Beziehung war, ob noch etwas offen ist. Die Beerdigung und Trauerfeier meines Opas vor 30 Jahren habe ich durchgeweint, so traurig war ich. Darüber habe ich ja schon mal berichtet.

Und auch die Intensität ist eine andere. Wenn der eine um den Abstieg seines Vereins trauert, ist der Schmerz nicht weniger wert, als wenn der andere um ein geliebtes Tier weint oder wenn das Buch nicht mehr neu aufgelegt wird. Was den einen schmerzt, macht dem anderen nichts oder weniger aus, weil die Beziehung und Verbindung eine andere ist.

Auch der Umgang mit dem Tod und dem Verlust unterscheidet uns: Ablenkung durch Arbeit, Gesprächskreise, schreiben, singen, tanzen, Musik, malen, Sport, Rückzug, schweigen ... Nur weil der eine nach vorne schaut und den Verlust akzeptiert, bedeutet es nicht, dass der andere, der festhält und nicht loslassen kann besser oder schlechter ist oder der zu Betrauernde weniger geschätzt wurde.

Das alles ist Ausdruck unserer Einzigartigkeit, unserer Geschichte, Haltung, unserer Erfahrungen.

Jede Art der Trauer ist ok. Es gibt kein besser oder schlechter. Sondern unzählige Möglichkeiten, damit umzugehen. Sie alle stehen gleichberechtigt neben einander.

Trauer braucht Respekt.

Trauer ist Mut  

"Ihre Asche werden wir im Meer verstreuen", war unser Plan als wir Anfang 2018 darüber nachdachten, was mit unserer Hündin Minu nach ihrem Tod geschehen soll. Und dann passierte etwas merkwürdiges:

Sobald wir ihre Urne beim Krematorium abgeholt hatten und sie bei uns im Auto stand, waren mein Mann und ich ganz ruhig. Wir waren wieder komplett. Unvorstellbar, ihre Asche irgendwo zu verstreuen. Sie gehört zu uns.

Seit dem steht das matt-anthrazit farbene Gefäß mit den goldenen Pfoten auf einem schönen Platz in unserem Haus. Das fühlt sich so stimmig und richtig an wie die Entscheidung, sie gehen zu lassen, als sie uns zeigte, es geht nicht mehr.

Doch nicht jeder kann unsere Entscheidung wie wir mit ihrer Asche umgehen, nachvollziehen. Für uns war Minu eben nicht nur ein Hund. Sie war unser Familienmitglied und 15 Jahre jeden Tag eine treue Begleiterin. Ganz nah an unserem Herzen durch dick und dünn.

So ist Trauer auch Mut, den ganz eigenen, stimmigen Weg zu gehen, auch wenn ihn kein anderer versteht. Wir verstehen ihn und das ist das wichtigste.

Von Herzen wünsche ich dir Mut für deinen Weg, für das, was du brauchst.

Das Leben ist zu kurz für später  

Eigentlich müsste ich im Büro... Nein, nichts muss ich. Das Leben ist zu kurz für später!

Jetzt ist ein guter Moment den Garten bei einem frischen Minztee aus dem Hochbeet zu genießen. Atmen, einfach schauen, Gedanken ziehen lassen, an Rosen schnuppern, was lesen, was quatschen, in der Hängematte schaukeln, Tagebuch schreiben...

Die Arbeit ist morgen auch noch da, aber dieser Wohlfühlmoment ist einzigartig und vergänglich.

Wenn ich ihn nicht auskoste und nachher bereue "ach, hätte ich doch...", warum lebe ich dann, wenn ich die Chancen nicht ergreife, die sich mir jetzt bieten? Keiner sagt mir: "Setz dich hin, genieße dein Leben, mach mehr kleinere Urlaube im Alltag." Es ist meine Aufgabe, das zu tun und gut für mich zu sorgen. Jetzt. Nicht morgen oder erst wenn x und y erledigt sind. Es wird immer etwas nicht fertig sein, es wird immer etwas zu tun geben. Aber das Leben wartet nicht.

Deswegen nehme ich mir heute eine Pause vom Alltag und mache mir eine richtig tolle Zeit. Heute lebe ich so wie ich gerne leben würde.

In Liebe fürs Leben

Anja

... unterwegs auf meinem krummen, wunderschönen Pfad

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Erstellt durch: Anja Kolberg am Freitag, 19 Juni, 2020
Thema: Blog - 2020, 1. Halbjahr, Blog - Dunkle Tage
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