Wie ich mit meiner Anspruchshaltung an den Urlaub und anderen Tiefs umgegangen bin

Die Seele macht keinen Urlaub

Endlich Urlaub!

In diesem Artikel erzähle ich dir davon, dass Urlaub mehr ist als schöne Bilder, viel Zeit und gute Bedingungen, besonders wenn man so viele Erwartungen an diese Zeit geknüpft hat wie ich. Ein ehrlicher Blick hinter die Kulissen und wie ich damit umgegangen bin, um inneren Frieden zu bekommen.

Strandatmosphäre

Monatelang hatte ich auf diesen Moment gewartet. Wochenlang mehr und auch am Wochenende gearbeitet, um im Urlaub frei zu haben. Hatte sogar vor unserer Abreise die Nacht durchgearbeitet, was ich noch nie zuvor gemacht habe.

So viele Aufgaben lagen auf meinem Schreibtisch - Stichwort neuer Shop - und so wichtig war es mir, im Urlaub davon eine Pause zu haben. Ich hatte einen akzeptablen Zwischenstand erreicht, wohlwissend, nach dem Urlaub würde ich daran weiter anknüpfen.

Duenenlandschaft

Und dann war es endlich soweit. Etwas über 900 km nördlich von Köln an der Jammerbucht in Dänemark begann unsere Urlaubszeit. Das Ferienhaus war ein Schmuckstück (wir haben anderes erlebt), das Dünengebiet, der Strand, die Gegend genau nach unserem Geschmack. Keine Baustelle in der Nähe. ;o) Was will ich mehr?

Urlaub Zitrone

Nach all den Entbehrungen hatte ich so viel Hoffnung auf diese drei Wochen projiziert und die mussten jetzt dran glauben, ausgequetscht werden wie eine Zitrone: Den Strand nutzen, die schöne Natur rundherum, schreiben, Ausflüge machen, bummeln durch die süßen Städtchen ...

Ich hatte zwei Aquarellbücher, meine farbenfrohe Stiftesammlung, Aquarellfarben und natürlich das Tagebuch im Gepäck. Endlich malen und nebenbei - so die Hoffnung - weiter an meiner Strategie basteln. Schließlich hatte ich ja jetzt drei Wochen Zeit dafür.

Und ich wollte wie schon 2017 hier am tollen Strand und durch die Dünen walken gehen. Darauf freute ich mich besonders, weil ich die Natur liebe und mir diese Momente ganz besonders gut getan hatten.

Zeit haben

Mein Mann liest am liebsten. Ihm reicht es, in der Nähe des Meeres zu sein, es zu hören und schaltet sofort ohne besondere Erwartungen im Urlaub ab. (Davon könnte ich ein paar Scheiben brauchen.)

Ich brauche und liebe das Meer, am liebsten täglich, also wollte ich mich alleine auf den Weg machen, meinen eigenen Rhythmus finden und das Meer atmen. Was freute ich mich genau darauf!

Illusion (was der Urlaub alles erfüllen sollte) und Realität leben auf unterschiedlichen Planeten, denn ich hatte meine Ansprüche und Erwartungen im Gepäck und konnte sie nicht abstreifen.

Ich hatte mich vor dem Urlaub in einen Onlinekurs eingeschrieben, der mich beschäftigte und ich sah mir einige Videos übers Bloggen an. Überhaupt keine Lust aufs Walken.

Druck

Ich war viel auf Instagram, verglich mich mit anderen Accounts und hatte das Gefühl, ich laufe hinterher und müsse mich beeilen, um auch dazu zu gehören, was vom Kuchen abzubekommen. Wie zermürbend und anstrengend war das!

Die Hoffnung von mehr Medienabstinenz im Urlaub verfehlte ich und kein einziges Mal war ich in der ersten Woche alleine am Strand, wenn wir auch gemeinsam etwas unternahmen und ich jeden Tag Erlebnisse in mein Reisetagebuch malte.

Immer stärker spürte ich das Gefühl, meine Zeit zu vergeuden, statt die "sinnvollen" Dinge zu tun, die ich mir vorgenommen hatte, vor allem Walken. Wenn ich den Strand nicht nutzte, die schöne Natur: Warum war ich dann dort und so weit gefahren?

Mich selbst und die Situation dann so zu akzeptieren und anzunehmen, den Druck rauszulassen: Alles andere als leicht für mich.

Dünen

Ja, ich kann in die Kamera lächeln und für diesen Moment wirklich Glück fühlen und Freude - und einige Zeit später schon wieder traurig oder angespannt sein, weil die inneren Themen Raum suchen.

Kartoffelrose

Hochsensibilität bedeutet für mich auch, auf meinen inneren Frieden zu achten. Eine innere Disharmonie wie sie sich im Urlaub durch meine Erwartungshaltung aufbaute, schlägt mir aufs Gemüt. Es gibt Menschen, die können damit gut umgehen. Ich nicht.

Ich erzähle wie ich damit umgegangen bin und versucht hab, diese Harmonie in mir herzustellen.

Als wir eine Woche da waren - ein Samstag mit strahlend blauem Himmel und Wind - spitzte sich die Situation in mir zu: Meine Stimmung war am Boden. Der Streß - dieses Gefühl des inneren Getrieben seins - baute sich zu einer unüberwindbaren, unsichtbaren Wand auf, die mich fest umschloss.

Schmerz der Seele zeichnen

Hinter dem Haus war eine hohe, mit Gräsern, Moos und Heide bewachsene Düne, von wo man einen Blick über die ganze Bucht hatte. Da könnte ich hochgehen, dann würde ich wenigstens das Meer sehen.

Kurzerhand bin ich dort mit meinem Tagebuch und einer Picknickdecke hochgestackst. Hab mir die Kapuze über den Kopf gezogen, die Schuhe aus, mich hingesetzt und im Tagebuch meine Situation aufgemalt und geschrieben. In die Ferne gestarrt, nachgedacht, mich auf den Rücken gelegt und in den blauen Himmel über mir geschaut.

Dünengras

Mir mein Sosein zu erlauben, auch wenn es nicht das wiederspiegelte, was ich mir vorher so plastisch für den Urlaub ausgemalt hatte, war ein dicker Brocken Arbeit.

Ausblick von der Düne

Als ich dort oben auf dem Hügel saß, mir die Tränen die Wangen runter liefen, hab ich nur wahrgenommen wie es mir ging.

Ich konnte es einigen inneren Anteilen mit einem hohen Anspruch an mich nicht recht machen. In diesem Moment nett zu mir selbst zu sein und mich selbst nicht zu verurteilen, das riet mir meine innere Stimme. Mir die Phase des inneren Chaos, der Findung zu geben.

Liebe dich im Sand

Irgendwann kam der Gedanke:

Dann wird der Urlaub eben anders, als ich mir das so rosarot vorher ausgemalt hatte. Dann arbeite ich eben oder auch nicht, gehe nicht wie in den letzten beiden Urlauben fast täglich walken, verlasse das Haus dadurch nicht so viel.

Es ist ok, wenn meine strategische Überlegung - wie es für mich nach 20 Jahren Selbstständigkeit weiter geht - eben viel länger braucht, als ich mir das vorgestellt hab, ich einfach mehr Zeit brauche - und im Urlaub keine Lust hab, daran zu feilen.

Schnecke im Morgentau

Ich redete mir gut zu. Lies ich Schrittchen für Schrittchen den Urlaub sein wie er war. Dadurch, dass ich die Ansprüche loslies, spürte ich endlich eine innere Entlastung.

Walking bis Rodhus

Am nächsten Morgen war ich früh wach, mein Mann schlief noch. Spontan zog ich mir meine Walkingklamotten an und ging zum Strand, wo es sich auf dem festen Sand entlang des Wassers so herrlich laufen lässt.

Meine Runde ganz alleine am Strand, in meinem Tempo am Meer entlang. Stehen bleiben, wo es stimmt, da lang gehen, wo ich Lust hab.

Da war sie endlich: Meine Glückszeit am Morgen. Auf einmal ging es! Ein Ritual ab da für fast jeden Tag.

Einen Morgen bin ich eine Stunde bis nach Blokhus am Strand entlang gelaufen und eine Stunde zurück. Zuhause laufe ich so eine Stunde. Die Natur dort oben in Jüttland, die scheinbar endlosen Strände führen fast zu einer Art Trance beim Walken. Gefühlt hätte ich immer weiter gehen können. Es ist einfach mein Ort, wo ich mich gut fühle.

Kolberg-Anja-Strand

Einen großen Schritt war ich nun weiter, doch das Thema war damit nicht erledigt. Es ging mit meiner Stimmung bergauf und bergab.

Strandleben

Bei einem langen Strandspaziergang mit meiner Spiegelreflexkamera - die ich nur noch selten mitnehme, weil das Handy so viel leichter, praktischer und für vieles in ausreichender Qualität ist - fühlte ich wieder meine Unzufriedenheit.

Ich war so unglücklich und lies meinen Gefühlen freien Lauf. Kein Mensch war am Strand, keiner konnte mich hören und so schrie ich einfach gen Meer raus wie es mit ging: "Ich bin so unzufrieden." Erst äußerst komisch fühlte sich das an, das so laut zu äußern und dann einfach befreiend! (Von meiner Schreitherapie habe ich in Wie ich meinen Frust loslasse berichtet.)

Mit Liebe auf mich selbst gucken

Irgendwann hatte ich das Gefühl, mich selbst mit viel Liebe von außen zu beobachten und hörte mich selbst sagen: “Anja, ich sehe dich und ich verstehe dich. Du bist unglücklich und unzufrieden.” - Ja. - “Du hast keine Lösung und fühlst dich gar nicht gut.” - Ja. -

So entwickelte sich ein Dialog zwischen meinem weisen Selbst und meinem frustrieren inneren Anteil. Gesehen zu werden tat ihm so gut und Ruhe breitete sich aus.

Nordseewellen

Für mich ein weiterer wichtiger Meilenstein: Hinschauen, zuhören, verstehen.

Auch wenn ich diese Phasen schon oft durchlaufen bin, ist es in einer neuen Situation ein erneuter Prozess, zu begreifen, dass nicht ich als Anja im ganzen mies drauf bin, frustriert, ängstlich ... sondern ein Anteil von mir diese Gefühle hat. Ein Umdenken findet statt, der Blickwinkel wird geändert und ich beginne fürsorglich und liebevoll mit mir umzugehen.

Tagebuch schreiben

Heute - ich schreibe diese Zeilen am Dienstag der dritten Woche - fühle ich mich freier. Wir haben alles besorgt, was wir vor der Abreise besorgen wollten, haben gesehen, was wichtig war und nun fängt eine andere Art von Urlaub an:

Den des wirklich Daseins, der inneren Ruhe. Jetzt “muss” nichts mehr. Wir werden wahrscheinlich nicht mehr mit dem Auto fahren, sondern einfach die Zeit im Haus genießen.

Schnecke am Morgen

Heute fühle ich Ruhe und Frieden. Bin ganz da und angekommen. Vielleicht liegt es daran, dass wir die Ausflugsziele abgeklappert haben, wenn auch noch einige Wünsche offen sind. Vielleicht liegt es daran, dass ich irgendwann aufgehört habe, mich zu kritisieren. Vielleicht liegt es daran, dass es bald nach Hause geht und ich jetzt ganz bewusst die Tage noch genießen will.

Ich weiß es nicht. Es ist einfach.

Herz im Sand

Einen Tag später folgte nochmal eine angespannte Stimmung.

(Himmel, ich vermute, die Wechseljahre spielen auch eine Rolle und ich will im Moment keine Hormone nehmen, wenn sie auch natürlich und humanidentisch sind.)

Ich wollte etwas präpariert sein für die Zeit nach dem Urlaub und hatte mir einige offene Mails wegen des neuen Shops angeschaut. Probleme tauchten auf, die mal wieder nicht so einfach lösbar waren.

So viele neue Informationen überfluteten meinen Aufnahmespeicher. Ich verstand nur chinesisch, meine Stimmung purzelte in den Keller. Ich fühle mich dann wie eine Schnecke, die versucht, Seilchen zu springen. Also etwas, für das sie nicht gemacht ist.

Schnecke springt Seilchen

Was mir half?

Walking am Strand. Loslassen. Ich setzte mich in die Düne, berührte mit meinen Händen den kalten, feinen Sand.

n der Düne sitzen

Formte Muster, guckte in die Ferne, beobachtete die segelnden Möven, lies meinen Tränen freien Lauf. Einer Freundin sprach ich eine Nachricht auf, wie es mir geht. Zwei weiteren schrieb ich und meinem Bruder. Einfach darüber sprechen oder schreiben zu können, entlastet mich. Gehört werden. Mitgefühl erfahren.

Ich brauche gar keine Lösungen und erwarte sie auch nicht.

Die optimale Lösung für mich ist erwartungslose Aufmerksamkeit zu bekommen.

Strand Rodhus

Als ich aufstand, wollte ich erst zurück zum Haus gehen, wo mein Mann sicherlich schon wach war, den Kaminofen angezündet hatte und frühstücken wollte. Am nächsten Tag war Abreise, deswegen wollten wir heute schon packen. Ich könnte auch an den Shopproblemen noch was arbeiten. Und es war mein letzter Walkingmorgen am Meer.

Ich hielt inne und merkte: Die Zeit am Meer reichte mir noch nicht. Es war wichtig, dass ich mein Bedürfnis jetzt ganz befriedigte und so lief ich weiter Richtung Blokhus, bis ich spürte: Jetzt ist es gut.

Möven fliegen empor

Auf dem Rückweg fühlte ich mich schon freier. Im Ferienhaus lenkte ich mich kategorisch ab: Klappte den Laptop zu, stellte das Handy auf Flugmodus wie ich das oft mache, um mich auszuklinken.

Wir räumten das Haus auf, packten, beluden den Wagen und waren gegen Mittag damit fertig. Nun hatten wir beide frei bis zum nächsten Morgen, wo wir abreisen würden.

Strand Nordsee

Die Sonne war rausgekommen, Windstille. Ich nahm meine Malsachen und setzte mich hinters Haus in die Sonne.

Malend den Urlaub erleben

Malte einfach die Landschaft und schob alle Probleme zur Seite. Ich würde die ungelösten Aufgaben für den Shop bis ich zu Hause war nicht mehr anpacken. So entstand ein noch tieferer Frieden in mir.

Ich folgte einer geführten Meditation das erste mal in den drei Wochen wirklich bis zum Schluss. Saß einfach in der Sonne und genoss ihre Wärme, die Stille, die Natur. Was für ein wunderschöner Nachmitag. Ein krönender Abschluss meiner Reise.

Rückblickend wurde mir klar: Gut wäre es, mehr Urlaub im Alltag zu haben, damit gar nicht erst diese Anspruchshaltung und die auf Erfüllung wartenden Bedürfnisse entstehen, die sich aufgetürmt hatten.

Mehr Urlaub im Alltag

Mehr loslassen und mir Pausen zu nehmen, auch wenn Termine und Probleme drücken. Das versuche und übe ich jetzt zu integrieren, ohne Druck aufzubauen. Eher ein liebevolles Locken wie eine süße, frische Feige, die mich anschaut und sagt: Iss mich!

Anja an der Düne

Zusammengefasst, was mir geholfen hat:

  1. Stehen bleiben, innehalten und den Druck, Schmerz oder die Situation wahrnehmen, wie es sich zeigt. Annehmen wie es ist und akzeptieren ("dann ist es eben so im Urlaub und nicht wie ich mir vorgestellt habe").
  2. Den inneren Stimmen oder Anteilen Gelegenheit geben, sich auszudrücken: Schreiend, schreibend, malend ... was auch immer gerade stimmt. Versuchen, diesen Anteil, der gerade ein Problem hat, mit Liebe anzuschauen und zu verstehen, zum Beispiel in einem inneren Dialog.
  3. Die Bedürfnisse, die sich akut zeigen, erfüllen: In der Düne sitzen, mit den Händen den Sand formen, gucken, weinen, mich 'meinen Menschen' mitteilen und mir so Luft verschaffen. Mich so lange bewegen, bis es sich gut anfühlt.
  4. Probleme zur Seite schieben, die gerade nicht gelöst werden können. Ablenken mit dem, was gerade geht.

Alles ist gut sagt Lilo

So viel aus meinem Seelenleben während des Urlaubs.

Wenn ich zu Hause bin und mitbekomme wie andere Urlaub haben, zaubere ich mir schnell Illusionen wie schön die es jetzt haben. Die Realität sieht oft anders auf. Auch deswegen zeige ich Blicke hinter meine Kulissen.

Mir ist wichtig, anderen auf Augenhöhe zu begegnen und ehrlich zu sein. Wir alle haben unser Päckchen zu tragen. Davor schützt weder Ausbildung, noch Lebenserfahrung. Es ist einfach so.

Unsere Seele lernt und wächst daran. Mal geht es leichter und mal ist es ein kleiner Riese der bewegt werden will. Mit Geduld und Spucke bewegt auch er sich oder ich mich drumherum. ;o)

Anja am Strand

Ich hoffe, das Teilen meine Erfahrung hilft dir. Schreib mir gerne, ob das so ist und wie du damit umgehst. Das gibt mir Kraft, weiter darüber zu berichten und ich finde die Verbundenheit und Austausch mit Gleichgesinnten wertvoll.

Meine anderen Berichte vom diesjährigen Urlaub:

Alle Dänemark-Reiseberichte findest du in Blog - Dänemark 

Herzliche Grüße aus Köln

Deine Anja, auf dem Weg

Möchtest du andere an diesem Artikel teilhaben lassen? Dann teile diesen Link, der führt genau hierhin:
https://www.frauencoaching.de/archives/2019/10/entry_7173.html
Inhalte dürfen nicht - auch nicht auszugsweise - ohne meine Genehmigung kopiert und anderweitig übertragen werden. Für eine Nutzung außerhalb dieser Webseite schreibe mich gerne an.

Erstellt durch: Anja Kolberg am Samstag, 19 Oktober, 2019
Thema: Blog - 2019, 2. Halbjahr, Blog - Dänemark, Blog - Mich selbst annehmen
Newsletter

Aktueller Beitrag: Wie ich mit meiner Anspruchshaltung an den Urlaub und anderen Tiefs umgegangen bin
« Krammärkte haben Seele - Ausflugstipp Dänemark | Home | Liebe und Mut statt Perfektionismus »